Lyrik Alter Meister

Ich bin nicht nur der Alten Musik bekanntlich sehr zugetan und der alten Reitkunst, auch die Lyrik der Alten Meister liebe ich besonders. Deshalb finden sich auf dieser Unterseite ein paar meiner liebsten Gedichte. Manche mögen bekannter sein, manche sind sicher eher so etwas wie lyrische Ausgrabungen: Guarini, Petrarca, Shakespeare, de Viau... Viel Freude! 


O come se' gentile

O come se' gentile,

caro augellino! O quanto

è il mio stato amoroso al tuo simile!

Tu prigion, io prigion; tu canti, io canto;

tu canti per colei

che t'ha legato, ed io canto per lei.

Ma in questo è differente

la mia sorte dolente:

che giova pur a te l'esser canoro;

vivi cantando, ed io cantando moro.

Giovanni Battista Guarini (1538 – 1612), „Avventuroso augello“ erschienen in Rime, Nr. 52, im Jahr 1598, von Claudio Monteverdi vertont im „Libro VII de madrigali“, erschienen in 1619, Madrigal Nr. 4 für 2 Soprane

Da sicher nicht alle des Italienischen mächtig sind (ich leider auch nur über das Lateinische), hier eine Übertragung dieses wunderschönen Gedichts ins Englische:

Thou prety bird, how doe I see

Thou prety bird, how doe I see

Thy silly state and mine agree:

For thou a prisoner art,

So is my hart.

Thou sing'st to her, and so doe I addresse

My Musicke to her eare that's mercilesse.

But heerein doth the difference lie,

That thou art grac'd, so am not I;

Thou singing liv'st,

And I must singing die.

Anonymous,

als Lautenlied von John Danyel (1564 – 1626) veröffentlicht in 1606 in der Sammlung „Songs for the Lute, Viol and Voice“


À Chloris

S'il est vrai, Chloris, que tu m'aimes,

Mais j'entends, que tu m'aimes bien,

Je ne crois point que les rois mêmes

Aient un bonheur pareil au mien.

Que la mort serait importune

De venir changer ma fortune

À la félicité des cieux!

Tout ce qu'on dit de l'ambroisie

Ne touche point ma fantasie

Au prix des grâces de tes yeux.

 Théophile de Viau (1590-1626), 1913 vertont von Reynaldo Hahn

 


Getreues Hertze

Ein getreues Hertze wissen /
hat deß höchsten Schatzes Preiß.
Der ist seelig zu begrüssen /
der ein treues Hertze weiß.
Mir ist wol bey höchstem Schmertze /
denn ich weiß ein treues Hertze.

Läufft das Glücke gleich zu zeiten
anders als man will und meynt /
ein getreues Hertz' hilfft streiten /
wieder alles / was ist feind.
Mir ist wol bey höchstem Schmertze /
denn ich weiß ein treues Hertze.

Sein vergnügen steht alleine
in deß andern Redligkeit.
Hält deß andern Noth für seine.
Weicht nicht auch bey böser Zeit.
Mir ist wol bey höchstem Schmertze /
denn ich weiß ein treues Hertze.

Gunst die kehrt sich nach dem Glücke.
Geld und Reichthum das zersteubt.
Schönheit läst uns bald zu rücke.
Ein getreues Hertze bleibt.
Mir ist wol bey höchstem Schmertze /
denn ich weiß ein treues Hertze.

Eins ist da seyn / und geschieden.
Ein getreues Hertze hält.
Giebt sich allezeit zu frieden.
Steht auff / wenn es nieder fällt.
Ich bin froh bey höchstem Schmertze /
denn ich weiß ein treues Hertze.

Nichts ist süßers / als zwey Treue /
wenn sie eines worden seyn.
Diß ists / das ich mich erfreue.
Und Sie giebt ihr Ja auch drein.
Mir ist wol bey höchstem Schmertze /
denn ich weiß ein treues Hertze.

Paul Fleming (1609–1640)


 Ein Shakespeare-Sonett darf freilich nicht fehlen in einer Perlensammlung:


Sonnet 18

Shall I compare thee to a summer’s day?

Thou art more lovely and more temperate.

Rough winds do shake the darling buds of May,

And summer’s lease hath all too short a date.

Sometime too hot the eye of heaven shines,

And often is his gold complexion dimmed;

And every fair from fair sometime declines,

By chance, or nature’s changing course, untrimmed;

But thy eternal summer shall not fade,

Nor lose possession of that fair thou ow’st,

Nor shall death brag thou wand’rest in his shade,

When in eternal lines to Time thou grow’st.

So long as men can breathe, or eyes can see,

So long lives this, and this gives life to thee.

William Shakespeare, 1564 – 1616


Da die Nachtigall mir ja sehr lieb ist, komme ich nicht um dieses Petrarca-Sonett herum:

Quel rosigniuol che sì soave piagne
forse suoi figli o sua cara consorte,
di dolcezza empie il cielo et le campagne
con tante note sì pietose et scorte,

et tutta notte par che m’accompagne
et mi rammente la mia dura sorte;
ch’altri che me non ò di chi mi lagne,
che ’n dee non credev’io regnasse Morte.

O che lieve è inganar chi s’assecura!
Que’ duo bei lumi assai più che ‘l sol chiari
chi pensò mai veder far terra oscura?

Or cognosco io che mia fera ventura
vuol che vivendo et lagrimando impari
come nulla que giù diletta et dura.

Francesco Petrarca (Italien, 1304–1374), Canzionere 311

Eine Übersetzung kann ich hier nicht vollständig bieten (aus Urheberrechtsgründen und da ich selbst keine eigene habe), aber ich gebe zumindest die beiden Quartette in der Übersetzung von Winfried Tilmann an:

Die Nachtigall dort, die so leise klagt,
vielleicht um ihre Kinder, ihren lieb Gefährten,
füllt Feld und Himmel an mit Süße
in vielen schmerzlichen und kunstvoll schönen Tönen

und scheint die ganze Nacht mich zu begleiten,
mich zu erinnern an mein hartes Los,
denn ich kann niemanden beklagen, nur mich selbst,
der ich nicht glaubte, dass auch Göttinnen der Tod beherrscht.